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Geflüchtete in Mörfelden-Walldorf


Die Integration von Geflüchteten ist ein Dauerthema, das mitunter kontrovers diskutiert wird. In Mörfelden-Walldorf gelingt die Integration dank der guten Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und Ehrenamtlichen. Die Betreuung der vielen Geflüchteten bleibt aber weiterhin ein echter Kraftakt. „Der Kreis Groß-Gerau hat 2022 über 4.000 Geflüchtete aufgenommen, 727 davon kamen aufs ganze Jahr gesehen nach Mörfelden-Walldorf. Hinter den Zahlen stecken Menschen mit tragischen Geschichten und viel Organisationsarbeit bei uns vor Ort“, sagt Erster Stadtrat Karsten Groß und lobt das große Engagement aller Beteiligten.

Taxifahrer Ivan F. und Ivanna lebten früher in Kiew. Als der russische Angriffskrieg in der Ukraine ausbrach, war Ivanna schwanger. „Es war zu gefährlich zu bleiben, deswegen suchten wir zuerst bei meiner Mutter Schutz. Sie wohnte 5 Stunden von Kiew entfernt“, erzählt der 30-jährige Vater. Doch auch hier waren sie nicht lange sicher. Seine Frau und seine Mutter entschieden, nach Deutschland zu gehen, da dort Verwandte wohnten. Der Weg führte über die Slowakei. „Meine schwangere Frau durfte nicht weiterreisen“, erklärt Ivan. Erst nach der Geburt des Sohnes ging es nach Deutschland. Auch Ivan verließ die Ukraine. „Ich konnte ausreisen, da ich über die notwendigen Dokumente verfügte, legal die Grenze zu überqueren. Schließlich kam unsere Familie endlich in Mörfelden-Walldorf an.“

Viele Stellen arbeiten zusammen
Viele Stellen der Stadtverwaltung arbeiten daran, dass die Aufnahme, Unterbringung und Integration in Mörfelden-Walldorf gelingt. Anfang 2022 wurde für die Geflüchteten eine große Unterkunft, mit Platz für 140 Menschen, vom Kreis angemietet. „Für Mörfelden-Walldorf war 2022 zunächst eine Aufnahme-Quote von 246 Geflüchteten vorgesehen. Doch dann kam der 24. Februar 2022 – der Tag, der alles veränderte“, so Harald Herdegen (Abteilungsleiter Soziale Dienste). Die Stadt musste schnell reagieren und in Zusammenarbeit von Bauamt und Sozialamt weitere geeignete städtische Unterkünfte für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine finden. Zudem gab es regelmäßige Meetings mit Beteiligten der verschiedenen Ämter und der Dezernenten, um Lösungen zu suchen und sich gegenseitig zu informieren. Das Walldorfer Stadtbüro richtete Sondertermine zur Anmeldung für Ukrainer:innen ein.
Rachid Mabrouki von der Sozialberatung erklärt, wie der Prozess des Ankommens abläuft. Fünf Mitarbeiter:innen sind im Sozialamt in der Sozialberatung für Rat- und Unterstützungssuchende da und dementsprechend auch für die Belange von Geflüchteten zuständig. Er erlebt bei den Ankommenden viel Dankbarkeit, denn die Geflüchteten haben bereits viele Stationen hinter sich. „Die Menschen werden in Hessen zuerst in der Erstaufnahmestelle in Gießen untergebracht. Dort wird entschieden, welchem Kreis die Geflüchteten zugeordnet werden. Von dort aus geht es weiter in die verschiedenen Kommunen“, so Mabrouki.

Erste Wochen nach Kriegsausbruch in der Ukraine waren ein Kraftakt
Insbesondere die ersten Wochen nach Kriegsausbruch in der Ukraine waren auch für die Stadt ein Kraftakt. „Die Busse aus Gießen kamen zu ganz unterschiedlichen Zeiten am Landratsamt in Groß-Gerau an, in der Regel erst abends zwischen 16 und 20 Uhr. Manchmal fehlten auch angekündigte Busse mit den Menschen“, beschreibt Herdegen die angespannte Situation. Die Mitarbeiter:innen des Sozialamts und des Integrationbüros fuhren mehrmals nach Groß-Gerau, um die Ukrainer:innen abzuholen – zum Teil unterstützt durch Transportfahrzeuge der freiwilligen Feuerwehr. „Ohne die große Unterstützung, auch von Ehrenamtlichen, wäre unsere Arbeit sehr erschwert gewesen“, fasst Herdegen zusammen. Immer wieder warteten Geflüchtete stundenlang auf andere Geflüchtete, die Mitarbeiter;innen der Stadt arbeiteten bis spät in die Abendstunden. Im Schnitt kamen 2022 zwischen 15 bis 30 Menschen pro Woche in Mörfelden-Walldorf an. Neben den Ukrainer:innen wurden auch Asylsuchende aus anderen Krisen- und Kriegsregionen Mörfelden-Walldorf zugewiesen und in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. „In dieser Zeit gab es eine Menge zu tun“, so Annette Keim aus dem Integrationsbüro, die mit ihrer Kollegin die Ankommenden u. a. auch mit Willkommensmappen, wichtigen Infos und Begrüßungssnacks versorgte oder – wenn nötig – Rollstühle für hilfsbedürftige Menschen organisierte.

Existenzsicherung für Geflüchtete hat Priorität
Nach der Unterbringung hat die Existenzsicherung hohe Priorität. Den Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben, reicht nicht aus, um in einer fremden Stadt anzukommen. „Einfach ausgedrückt, erklären wir den Geflüchteten, wie das „Leben“ in Mörfelden-Walldorf funktioniert – angefangen von der Mülltrennung, dem Schulsystem, den Einkaufs- oder Freizeitmöglichkeiten und Treffpunkten in der Stadt bis zur Hilfestellung bei Anträgen und Versicherungen“, erklärt Mabrouki. Zudem bietet die Sozialberatung mehrmals im Jahr Schulungen an, was die Menschen bei der eigenständigen Wohnungssuche beachten sollten. „Ziel ist dabei immer die Hilfe zur Selbsthilfe – das Motivieren, selbst aktiv zu werden. Die Sprechstunden der Sozialberatung sind für alle Menschen offen, auch viele Geflüchtete nutzen das Hilfsangebot“, weiß Herdegen.

Gelebte Willkommenskultur
„In Mörfelden-Walldorf ist der Begriff Willkommenskultur keine leere Worthülse, sondern wird wirklich gelebt“, betonen Bürgermeister Thomas Winkler und Erster Stadtrat Karsten Groß. Bereits zwischen 2015 und 2017 kamen wegen des Bürgerkriegs in Syrien rund 500 Geflüchtete in die Doppelstadt. Viele ehrenamtliche Helfer:innen im „Netzwerk miteinander“ unterstützten damals die Stadt und tun dies auch heute noch. Sie stehen Geflüchteten in vielen Lebenslagen zur Seite, begleiten zu Behörden- oder Arztbesuchen, geben Sprachkurse, organisieren Spenden und Treffpunkte. Koordiniert wird das Netzwerk vom städtischen Integrationsbüro.

Die Stadtverwaltung organisiert seit Jahren viele Angebote
Eine wichtige Anlaufstelle für Geflüchtete aus aller Welt ist etwa das Begegnungscafé im Treffpunkt Waldenserhof, welches jeden Mittwoch von mehr als 100 Menschen besucht wird. Dort können Kontakte geknüpft werden, Spenden werden organisiert und Hilfen zum Alltagsleben in Deutschland gegeben. Menschen können hier alle Fragen stellen, werden auf diesem Wege in Vereine vermittelt oder können unterschiedliche örtliche Angebote wahrnehmen. Auch Ivanna ist regelmäßiger Gast im Begegnungscafé. „Hier sind viele hilfsbereite nette Menschen, die Stimmung ist gut, der Kuchen lecker und es wird viel gelacht. Wir kommen gerne dahin“, sagt sie.
Das Integrationsbüro betreut zudem einen ehrenamtlichen Dolmetscherpool, der insbesondere von Ukrainer:innen sehr stark genutzt wird, und bietet neben einem Sprachtreff für Kinder auch eine Frauengruppe an – ebenso wie eine ehrenamtliche Ausfüllhilfe für Formulare. Erstaunt sind einige Geflüchtete über die Bürokratie und das viele Papier in Deutschland. „Manche kennen aus ihrer Heimat eine bessere Digitalisierung der Behördenprozesse“, weiß Mabrouki. Auch Ivan wunderte sich, dass in Deutschland manches etwas länger dauert. „In Kiew hatte ich innerhalb von 15 Minuten eine Bankkarte, hier musste ich drei Wochen warten“, erzählt er schmunzelnd.

Gut eingelebt
Harald Herdegen gibt Beispiele, wie gut sich die Geflüchteten mittlerweile integriert haben und im normalen Stadtleben auftauchen. „Alle Kinder haben einen Platz in der Schule bekommen, darüber hinaus gehen die Geflüchteten auch in die Vereine, Jugendliche nehmen an Angeboten der Jugendförderung wie dem Seifenkistenrennen oder den Osterworkshops teil oder verbringen ihre Freizeit in den beiden Jugendzentren“, freut er sich.

Ivanna und Ivan fühlen sich in Mörfelden-Walldorf wohl und haben hier eine neue Heimat gefunden. „Die Menschen sind sehr hilfsbereit und gastfreundlich, fragen immer wieder, ob sie uns helfen können. Wir haben uns sehr gut eingelebt. Daher ein großes Dankeschön.“ Mittlerweile besucht Ivan einen Deutschkurs, hat einen Minijob und auch eine eigene Mietwohnung gefunden. In der Freizeit geht die Familie gerne auf die Spielplätze der Stadt. „In Mörfelden-Walldorf ist es ruhig und friedlich. Wir leben hier gerne“, fasst er zusammen.

Situation in Mörfelden-Walldorf
Bei den Unterkünften ist die Stadt an Kapazitätsgrenzen angekommen. „Im Moment sind die Zahlen der zugewiesenen Schutzsuchenden niedriger. Dennoch nähern wir uns bereits jetzt der für Mörfelden-Walldorf geltenden Aufnahmequote für das ganze Jahr 2023 von 122 Geflüchteten. Wir wissen aber nicht, wie sich das Fluchtgeschehen in den nächsten Jahren entwickelt“, gibt Herdegen zu bedenken.